Rösten im Sinne von Verrotten. Es gab und gibt zwei Ziele bei der Flachsverarbeitung. Auf der einen Seite werden die Leinsamen, die sich in den Kapseln der Pflanze befinden – gewonnen, um daraus Leinöl zu machen und als Saat für das nächste Jahr dienen.

Auf der anderen Seite werden die Pflanzen-Stängel für die Fasergewinnung gebraucht. Um an die Fasern der Pflanze zu kommen, die für die Herstellung von Kleidung, zumindest früher, von entscheidender Bedeutung waren, mussten diese geröstet werden.

Unter dem Rösten ist hier rotten, faulen zu verstehen. Dieser Vorgang soll dafür sorgen, dass sich die Fasern vom holzigen Kern lösen.

Es gab zwei Röstmethoden. Bei der einen wurden die Stängel, die nach dem Riffeln übrigblieben in die Wiese gelegt oder gleich auf dem Acker gelassen und bei der anderen kamen sogenannte Rösten (rechteckige Gruben von etwa 5 x 3 Metern Größe und etwa einen Meter Tiefe) zum Einsatz.

Noch heute kann man diese Rösten in der Nähe kleinerer Ortschaften sehen. Sie lagen in feuchten Gebieten mit Lehm- oder Tonböden, damit das Wasser nicht versickerte. Die Flachsbündel kamen in die Rösten und wurden beschwert, damit sie vollständig unter Wasser waren (Das Blaue Wunder der Region Heinsberg, H. Gerichhausen, 2011, S.29). Dort verblieben sie zwischen 8 und 14 Tagen.

Die zweite Methode war etwas weniger beschwerlich aber zeitintensiv. Dabei wurden die Flachsbündel im Spätsommer/Frühherbst – direkt nach der Ernte (das galt auch für die Röste) sorgfältig ausgebreitet in die Wiese gelegt. Die Stängel waren nunmehr der Witterung ausgesetzt, die den gleichen Effekt wie das Rösten in der Röste haben sollte. Abwechselnd haben Regen und Sonne (und Tau) auch dafür gesorgt, dass sich die Fasern lösten.

Unter häufigem Wenden mussten die Flachsstängel allerdings mindestens 20 Tage auf Feld, Wiese oder Acker bleiben.

Die Ergebnisse dieser verschiedenen Röstmethoden waren dann auch unterschiedlich. Während die Röste im kalten Wasser flachsblonden Flachs (Fasern) hervorbrachte, war der Flachs, der in der Wiese geröstet wurde eher bräunlich. Allerdings hatte er einen noch edleren Glanz (Das Blaue Wunder der Region Heinsberg, H. Gerichhausen, 2011, S.29).

Das ist im Übrigen einer der Gründe, warum ich mich für das Taurösten (also das Rösten in der Wiese) entschieden habe. Außerdem ist es heutzutage nicht mehr ganz einfach und auch gegebenenfalls nicht opportun, eine Röste innerhalb oder außerhalb des Ortes anzulegen.

Das Wasser ist hinterher sehr giftig und es riecht mindestens empfindlich. Das will man den Leuten nicht zumuten.

Eine weitere Methode soll hier nicht unerwähnt bleiben. Das Rösten in fließendem Gewässer. In diesem Fall wurde der Flachs in Kästen im Fluss versenkt und geröstet. Allerdings sorgten die Ausschwemmungen für das Absterben von Pflanzen und Fischen, sodass diese Form des Röstens schlussendlich per Dekret verboten wurde.

Apropos Dekret. Es wird sich eine Geschichte erzählt, die tatsächlich genauso stattgefunden hat und zeigt, wie wichtig den Menschen der Flachs noch im Jahre 1804 war. Am 25. November jenen Jahres wurde ein Bauer bestohlen. Der Dieb entwendete etwa 30 dieser Flachsbündel (wohlgemerkt – da waren die Kapseln mit den Samen schon ab). Nachdem ihm die Tat hinlänglich nachgewiesen worden war, wurde er zum Tode verurteilt.

Kaum auszudenken, was passiert wäre, wäre fertiger Leinen – also der Stoff, der aus den Fasern der Flachspflanze hergestellt wurde – gestohlen worden (Das Blaue Wunder der Region Heinsberg, H. Gerichhausen, 2011, S.28).

Zurück zum Rösten

Zurück zum Rösten. Das Rösten bedurfte den Besitz von viel Erfahrung, große Kenntnisse und Fingerspitzengefühl. Denn an dieser Stelle entschied es sich, ob die Qualität des Endproduktes Leinen gut oder eher nicht so gut sein wird.

Nach der Röste wurden die Flachsbündel abermals getrocknet. Nicht immer spielte das Wetter mit. Im Gegenteil. Noch heute zeugen große Scheunen von unbeständigem Wetter. Sobald die Flachsbündel weitestgehend getrocknet waren, kamen sie nämlich in die Scheune, zum Nachtrocknen.

Erstmal in das Feld gebracht – wurd´ der Flachs stark überwacht. So wertvoll war er – der Lein, der wundervolle Flachs. Das blaue Wunder.

Rösten